Angesichts der Schließung des Weltladens bieten Fairtrade-Importgesellschaften einen Bestellservice zu Gunsten des örtlichen Weltladens an – Gravierende Lage im globalen Süden
Die geliebte faire Schokocreme zum Frühstück oder der bewährte Fairtrade-Kaffee am Nachmittag – darauf möchten viele Eichstätter Welt-Brücke-Kunden inzwischen nicht mehr verzichten. Da der Vorstand des Welt-Brücke e.V. sich auf Grund der aktuellen Entwicklungen in der Corona-Krise ab Montag, 23. März, zur Schließung seines Ladengeschäfts entschieden hat, tätigten viele Kunden am Samstagvormittag noch einmal einen Großeinkauf von Fairtrade-Produkten jeder Art. Doch einige große Fairtrade-Importgesellschaften haben schnell auf die auch für den globalen Süden bedrohliche Krisensituation reagiert: In einer Solidaritätsaktion bieten sie ab sofort unkomplizierte Lieferungen ihrer fairen Produkte an, die auch dem Eichstätter Weltladen zu Gute kommen.
Schon Mitte letzter Woche erreichte das Vorstandsteam der Welt-Brücke die Nachricht über die große Solidaritätsaktion namhafter Fairhandels-Importgesellschaften in Zeiten von Corona: Zahlreiche Fairtrade-Lieferanten, so zum Beispiel „Weltpartner“, „Globo“ und „El Puente“, bieten für alle Kunden, die ab sofort auf „ihren“ Weltladen verzichten müssen, einen Lieferservice und zahlen entsprechende Provision an die Eichstätter Welt-Brücke: „Das ist ein sehr beruhigendes Angebot sowohl für uns als Weltladen als auch für all unsere Kunden, die sich nun ihre fairen Lieblingsprodukte einfach nach Hause liefern lassen können“, freuen sich die drei Vorstände, die die Aktionsplakate der Handelspartner bereits in den Schaufenstern des Ladens angebracht haben.
„Gemeinsam durch die Krise“, so betitelt zum Beispiel die Fairtrade-Importgesellschaft „Weltpartner“ ihre Aktion „Solidarität 2020“. Aufgrund der aktuellen Corona-Lage blieben viele Weltläden leider momentan geschlossen. Die Corona-Krise sorge bereits jetzt für dramatische Umsatzeinbußen bei den Fairtrade-Partnern – unzähligen Kleinbauernfamilien und Kleinstproduzierenden – in den Ländern des globalen Südens, so die Gesellschaft. Daher ruft Weltpartner zur Unterstützung dieser durch die Kunden auf, die weiterhin ihre fairen Einkäufe tätigen sollen – wenngleich auf einem anderen Weg: „Lassen Sie sich viele Ihrer Lieblingsprodukte aus dem Weltladen direkt nach Hause liefern und bestellen Sie einfach online“, so die Bitte des Fairhandels-Unternehmens. Mit Hilfe des Gutscheincodes „Solidarität2020“ erhalten Kunden bei „Weltpartner“ fünf Prozent Rabatt auf jede Bestellung. Darüber hinaus gibt es ein weiteres Plus, das dem örtlichen Weltladen zu Gute kommt: „Beim Einkauf über den Link, der auf dem Plakat in unserem Geschäft genannt ist, erhält der Weltladen eine für uns sehr wichtige Provision“, betonen Burghardt, Döpke und Kusche. Damit, so hoffen die Vorstände, verringern sich die Einbußen des Weltladens in diesen Wochen ein wenig. Wichtig sei bei jedem Online-Einkauf, in der Kommentarspalte anzugeben, welchen Weltladen der Kunde unterstütze. Dann gebe die Importgesellschaft der Welt-Brücke seine gewohnte Gewinnspanne – so, als ob die Produkte direkt aus dem Regal im Weltladen genommen würden, erläutern die Vorstände. Dies gelte gleichermaßen für die Lieferangebote von Globo und El Puente mit ihrem großen fairen Lebensmittelangeboten.
Gravierende Situation im globalen Süden
Dass die Fairtrade-Importgesellschaften zur schnellen Solidarität sowohl mit den örtlichen Weltläden als auch mit den vielen Bauernfamilien und Arbeitern im globalen Süden aufrufen, die vom fairen Handel profitieren, hat einen dramatischen Hintergrund. Denn bei den Vorstandsmitgliedern der Welt-Brücke Eichstätt treffen derzeit täglich viele zum Teil verzweifelte Berichte der Handelspartner der großen Fairtrade-Importgesellschaften aus Asien, Afrika und Lateinamerika ein. So sind viele der Werkstätten, in denen Produkte unter Fairtrade-Bedingungen hergestellt werden, bereits geschlossen oder fertige Ware nicht mehr ausgeliefert worden, beispielsweise beim Craft Ressource Centre von „Weltpartner“ in Indien. Dort haben die Werkstätten zur Minimierung des Ansteckungsrisikos ihren Betrieb bereits eingestellt. Zwar gebe es in Kalkutta noch keine bestätigten Corona-Fälle, aber dies könne sich jederzeit ändern. Die Kunsthandwerker könnten nicht von zu Hause arbeiten; viele von ihnen würden auf Stücklohnbasis bezahlt. Nun müsse ein Vorschuss bar ausgezahlt werden, damit zumindest ihre Grundversorgung gesichert sei, so der Leiter des indischen Kunsthandwerkzentrums.
Auch die bekannten Fairlederproduzenten Artisan Well und Feather Touch schauen mit großer Sorge auf die europäischen Absatzmärkte, noch setzten sie ihre Arbeit mit Mundschutz als Präventivmaßnahme fort. Doch in vielen Teilen Indiens, so in Delhi sowie in Nepal, Kathmandu, seien die meisten Werkstätten bereits geschlossen. Beim Handelspartner Holyland in Palästina indes seien die in Deutschland ausverkauften Seifenschalen zwar fertiggestellt, könnten aber mangels Schiffstransporten nicht das Land verlassen. Durch deutlich weniger Verkäufe der fair gehandelten Produkte in Europa fehle den Produzentinnen und Produzenten ihr existenzielles Einkommen.
Auch die Fairhandels-Importgesellschaft Contigo blickt mit großer Sorge nach Übersee. Der Partner Papital arbeite in Teheran, im Mittelpunkt der Infektionen. Der Betrieb sei nun geschlossen, eine letzte Lieferung an Contigo habe es gerade noch durch den Zoll geschafft. In nächster Zeit gebe es keinerlei Arbeit für die Handwerkerinnen und Handwerker. Nicht anders ist die Lage in Peru, wo eine Quarantäne verhängt wurde und die Werkstätten des Fairtrade-Partners ebenso geschlossen werden musste. Auch in Guatemala sei das Virus angekommen, die Auswirkungen werden mit Blick auf das schwache Gesundheitssystem, den Mangel an sanitären Einrichtungen und vor allem der Armut gravierend sein, so berichtet die Fairhandelsgesellschaft El Puente.
Bei den Partnerorganisationen in den Anbauländern in Afrika, Lateinamerika und Asien komme derzeit eine doppelte Sorge auf, so fasst es Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender der unabhängigen Fairhandelsinitiative Transfair e.V., in seiner Erklärung vom 17. März zusammen: Einerseits bestehe bereits jetzt die begründete Angst, dass Absatzmärkte einbrechen, und damit die Einkommensgrundlage und Existenz von 1,7 Millionen Menschen, die im Fairtrade-System angeschlossen sind, gefährdet sei. Fairtrade rufe deshalb dazu auf, auch in Zeiten der Krise faire Produkte zu konsumieren und so Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und Arbeitende im globalen Süden zu unterstützen. Auch wenn die Fallzahlen von Covid-19 in vielen Ländern des globalen Südens bislang noch relativ gering erschienen, bestehe die große und berechtigte Sorge, dass die Gesundheitssysteme dort einer solchen Pandemie nicht gewachsen sind, so Overath. Er ruft daher zu Solidarität im Alltagshandeln auf: „Das gilt für die Menschen in unserem unmittelbaren Umkreis, aber auch die Menschen, die uns mit Produkten wie Kaffee, Kakao, Bananen oder anderen Rohstoffen versorgen und für die wir uns auch in dieser Krisenzeit einsetzen.“ Diese Auffassung vertreten auch die Vorstandsmitglieder der Welt-Brücke und hoffen auf solidarische Unterstützung ihres Weltladens und damit den Fairtrade-Produzenten in aller Welt.